1. Herren | Westfalen-Blatt (Bielefeld) | 13.05.14
Trainer-Missverständnis Schramme erstes Puzzlestück einer erfolglosen Saison – Boy schließt Comeback nicht aus. Gut möglich, dass es in der Handball-Oberliga einen Spielertrainer Michael Boy geben wird. Weil die Rückraumreihen noch ausgedünnt sind, schließt der Mittelmann ein Comeback für die TSG A-H Bielefeld nicht mehr kategorisch aus. »Die Pause hat meiner Schulter gut getan. Ich fühle mich fit. Alles andere muss man sehen.«

Ein erfahrener Denker und Lenker war das, was der TSG in dieser Saison gefehlt hat. Einer, der in Drucksituationen die Übersicht behält. »Der auf den Trainer hört und Ansagen auch umsetzt«, meint Boy. Auf dieser Dauerbaustelle wurde munter improvisiert; kaum ein Spieler, der sich nicht mal versuchen durfte. Der »zugelaufene« Andreas Müller (Regensburg) erwies sich nicht als Impulsgeber und kam nur auf wenig Einsätze. »Ich hätte Andy keinen Gefallen damit getan, ihm zu viel Verantwortung aufzubürden. Das wäre nicht fair gewesen«, drückt sich Boy diplomatisch aus.

Die Saison 2013/14 begann mit einer Fehlentscheidung – erstes Stück des Abstiegspuzzles. Die Verpflichtung von Trainer Bernd Schramme sollte sich als ein Missverständnis erweisen, das zwar unmittelbar vor Meisterschaftsstart korrigiert wurde, »doch die Vorzeichen sahen somit schon nicht rosig aus«, räumt Teammanager Matthias Geukes ein.

Rekonvaleszent Tobias Fröbel sprang als engagierter »Ersatz« ein. Unter seiner Regie wurden 3:19 Punkte eingefahren. Er gab bis zur Verpflichtung Michael Boys sein Bestes, war aber nun mal kein erfahrener Coach. Dazu addierten sich immer wieder langfristige Verletzungsfälle. Ganz empfindlich traf es die TSG, dass mit Marcel Ortjohann (Kreuzbandriss) und Jannik Rauchschwalbe (Schulter) beide Linkshänder lange ausfielen. Mithin fehlte ein Bündel taktischer Möglichkeiten. Die TSG wurde leicht ausrechenbar. Darüberhinaus, merkt TSG-Chef und -Geschäftsführer Heinrich Rödding an, seien »Spieler deutlich an ihre Leistungsgrenze gestoßen.«

Zunehmend kristallisierte sich heraus, dass die sportliche Qualität vor allem in der Breite nicht reichen würde. »Wir haben etliche Spiele und damit Big Points knapp verloren«, so Boy. »Kleine Sachen haben sich summiert. Haben wir vorne überzeugt, hat es hinten gehapert. Und umgekehrt. Wenn nicht jeder sein Leistungsoptimum erreichte, war sowieso nichts drin.« Unerfahrenheit schlug sich in mangelnder Konstanz nieder. So kam es zur schlechtesten Tordifferenz eines TSG-Teams seit 20 Jahren. »Wenn du 14 Spiele hintereinander verlierst, fällt es schwer, dich immer neu zu motivieren. Ich habe so etwas das erste Mal erlebt, bin aber positiv überrascht. Der Charakter der Mannschaft ist eins A. Die Jungs wurden wohl spürbar dünnhäutiger, haben aber immer mitgezogen, sich nicht hängen lassen. Die Trainingsintensität war stets hoch.« Das würdigt auch Heinrich Rödding. »90 Prozent hat die Mannschaft in ihrem Rahmen gekämpft. Der Charakter ist gut. Das sind prima Jungs.« Nach einem dreijährigen schleichenden Abstieg spricht Rödding von einem Lerneffekt. »Wir sind mit unserem Umfeld in der immer professioneller werdenden 3. Liga an Grenzen gestoßen.« Mittelfristig solle die Oberliga genutzt werden, um »uns in den nächsten drei, vier, fünf Jahren zu konsolidieren und dann nochmal stabil die 3. Liga anzugehen.«

Das persönliche Highlight war für Boy sein geglückter Trainer-Einstand, das 30:26 gegen Krefeld. »Ich hatte nicht sofort mit einem Sieg gerechnet«, räumt er ein. Der Effekt verpuffte nach einem weiteren Zähler in Gladbeck. Das 29:29 sollte auf fremdem Terrain das einzig Zählbare in der gesamten Meisterschaft bleiben.

Matthias Geukes sieht den Saison-Abpfiff ganz pragmatisch: »Haken dran und nach vorne gucken. Der letzte Sieg hat nochmal beflügelt. Alle freuen sich auf die Oberliga.« Auf Siege. Das Abstiegsgespenst, es soll künftig einen ganz weiten Bogen um den Heeper Dom machen. Michael Boy freut sich auf die Herausforderung. Der Umbruch sei nicht ohne. »Wir bekommen wohl leistungsfähige Einzelspieler, tauschen aber den kompletten Rückraum aus.«


Die TSG-Abstiegssaison in Zahlen

Tabellenplatz: 16.
Punkte: 10:50.
Tore: 737:897.
Heimbilanz: 9:21 Punkte.
Auswärtsbilanz: 1:29 Punkte.
Hinrunde: 6:24 Punkte.
Rückrunde: 4:26 Punkte.
Spieler: Kevin Becker (1 Tor)/Cornelius Nolte/Christoph Grauting – Johannes Krause (28 Einsätze, 178/30 Tore), Daniel Meyer (26, 148/58), Tobias Beining (28, 84/3), Leon Prüßner (27, 44/1), Marcel Ortjohann (12, 38), Tobias Fröbel (18, 38/1), Julian Stübber (30, 35), Thomas Fröbel (22, 33/2), Calle Wagner (13, 27), Fabian Schnorfeil (27, 23), René Wolff (29, 21), Benni Richter (10, 19), Johann-D. Starck (6, 15), Jannik Rauchschwalbe (6, 6), Matthias Geukes (5, 4), Simon Marquardt (1, 2), Andreas Müller (9, 1), Nils Strathmeier (3, 1), Fabian Richter (2, 0), Daniel Egor (2, 0), Henrik Ortmann (1, 0), Jan-Cedric Hiller (1, 0).
Zeitstrafenkönig: Julian Stübber (56 Minuten, vier Rote Karten) vor Tobias Beining (44 Minuten).
Siebenmeter: Daniel Meyer (58/79, Quote von 73 Prozent), Johannes Krause (30/38), Tobias Beining (3/4), Thomas Fröbel (2/2), Tobias Fröbel (1/1), Leon Prüßner (1/2).


Kommentar

Mickrige vier von 30 Spielen gewonnen. Monatelang abgeschlagener Tabellenletzter. Ein Abstieg hinterlässt immer ein mieses Gefühl. Das Zahlenwerk, das der TSG gnadenlos attestiert, nicht gut genug gewesen zu sein, hat die Handballer in einer langen Durststrecke mit 14 Niederlagen in Folge genug bedrückt. Der Frust ist inzwischen einer anderen Emotion gewichen: Vorfreude. Die neue Leistungsklasse birgt die Chance, wieder Siegermentalität zu inhalieren. Die Oberliga mit ihren reizvollen OWL-Derbys scheint geeignet, eine neue Euphorie rund um den Heeper Dom zu schüren. Dabei sind sie beim Absteiger so klug, eine Zielvorgabe wie »sofortiger Wiederaufstieg« zu verbannen. Bei der Zusammenstellung des neuen Kaders sind einige gute Schlüsse aus dem Abstieg und Erfahrungen vergangener Jahre gezogen worden, auch wenn noch zwei gestandene Rückraumspieler fehlen, um ein wirkliches Topteam zu sein. Fest steht jetzt schon: Diese TSG wird die Oberliga Westfalen bereichern. Jörg Manthey

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