1. Herren | Westfalen-Blatt (Jörg Manthey) | 15.12.09
Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Die wertvollste Ziffer vorab: Das Polster des Handball-Regionalligisten TSG Altenhagen-Heepen auf Abstiegsplatz zehn beträgt allen Handicaps zum Trotz komfortable acht Punkte. Nach Beendigung der Hinrunde stellt es sich also so dar, als solle der Tabellenfünfte die angestrebte Qualifikation für die 3. Liga problemlos erreichen können.

Wenn da nur nicht die Tendenz von 0:6 Punkten wäre. Konsequenz sichtbarer Verschleißerscheinungen, die so manchen Zweifel aufgeworfen haben. Die TSG pfeift aus dem letzten Loch. Körperliche Fitness und geistige Frische sehen anders aus als zuletzt auf dem Parkett gezeigt. Spieler laufen trotz Verletzungen auf. Das ist weder gesund noch Spitzenleistungen förderlich. Die grassierende Verunsicherung der Müllers und Öttkings zeigt sich in der jüngsten Ausbeute vom Siebenmeterpunkt.

»Wir haben auf breiter Front versagt«, urteilte Trainer Helmut Bußmeyer nach dem 24:29-Heimdebakel gegen Bayer Uerdingen, »und so für gedämpftes Licht in der weihnachtlichen Stimmung gesorgt«. Die TSG habe sich Uerdingens Tempoverschleppung angepasst. »Nur dass die wesentlich cleverer gespielt haben als wir. Die haben mit uns gemacht, was sie wollten. Wir reagieren nur«.
Dass das Spiel solch einen Verlauf nahm, habe nicht an der gegnerischen Stärke gelegen. »Nee, da müssen wir bei uns selber anfangen. Wie schon gegen Spenge«, sagt Bußmeyer, der »ein gewisses Grundniveau« vermisst. Der Pädagoge nimmt auch sich in dieser schwierigen Situation in die Pflicht. »Bis jetzt war bei uns ja nur Jubel und Trubel. Mal gucken, wie sich der Trainer als Krisenbewältiger macht«.

Die Euphorie des Aufstiegs scheint zum Jahreswechsel endgültig verflogen. Spieler wie Marcel Müller, der so stark begonnen hatte, oder Linksaußen Florian Öttking sind weit von ihrer Vorjahresform entfernt. Henrik Ortmann, von den Gegnern als »prägende Gestalt« gefürchtet, hat seit Ende September nicht mehr regelmäßig trainiert und unterliegt Formschwankungen. Die Inkonstanz dieses Trios steht symbolisch für den steten Leistungsabfall der TSG. Der Kader ist in der Spitze nicht »breit« genug bestückt, um den schmalen Grat zwischen Weltklasse und Kreisklasse adäquat abzufedern. Das sollte der TSG Lerneffekt genug sein, sich für die Spielzeit 2010/11 anders aufzustellen, wenn Liga 3 sieben Absteiger vorsieht.

Helmut Bußmeyer (»Es geht im Training los«) hofft, dass die Mannschaft über vernünftig durchgeführte Übungsformen in der Woche zurückfindet zu alter Sicherheit. Mit vier, fünf Spielern aus dem eigenen Kader, dazu willkommenen Gästen wie Lukas Tiemann (Brake) oder Adrian Düsterloh (HSG EGB Bielefeld), sei nun mal keine konzentrierte Vorbereitung auf ein Regionalligaspiel machbar. »Wenn wir gut spielen, gehören wir ins erste Drittel«, beteuert er. »Das müssen wir vor allem in den entscheidenden Partien zeigen. Gegen die unteren Mannschaften gilt es zu punkten. Sonst rutschen wir ruckzuck noch selber unten rein«.

Auch wenn die TSG im überragenden Kalenderjahr 2009 lediglich fünf Pflichtspiele verloren habe: »Spielerisch war's oft nicht überzeugend. Von so einer eingespielten Truppe erwarte in entscheidenden Phasen mehr«, registriert Helmut Bußmeyer mit Sorge, dass »wir oft schwer ins Spiel kommen«. Und die Zeiten, dass der Aufsteiger in der letzten Viertelstunde mit einem Kraftakt noch ein Spiel umgebogen hat, würden auch schon länger zurückliegen. Kapitän Johann-David Starck müht sich, das »unterirdische Spiel« gegen Uerdingen isoliert zu betrachten. »Das waren nicht wir. In Wermelskirchen habe ich eine ganz andere Mannschaft von einem anderen Stern gesehen«.

Neues Jahr, neues Glück: Helmut Bußmeyer setzt auch auf die Rückkehr des Kiwi. Am 25. Januar wird Carl-Moritz Wagner aus Neuseeland zurückerwartet. Der Pharmaziestudent soll nach seinem aufregenden Auslandssemester (diese Zeitung berichtete) nicht nur als Kreisläufer und Abwehr-Ass frische Akzente setzen. »Seine Persönlichkeit, sein Naturell wird uns gut tun«. Oder wie sich Johann-David Starck ausdrückt: »Calle wird ein maßgeblicher Mosaikstein dafür sein, dass wir wieder zurückkommen. Es wird uns auch bald wieder gelingen, eine Überzahl vernünftig auszuspielen«. Dass die Mannschaft erst zum Kreispokal am 2. Januar wieder zusammenkommt, sei nicht verkehrt. »Es ist ganz gut, dass wir uns eine Weile mal nicht sehen«.

Kommentar

Sauberes Jahr etwas getrübt

Zur Halbzeit Tabellenvierter: Die gewachsene Einheit der Starcks, Welges und Co., in der Oberliga zum Westfalenmeister gereift, hat eine Etage höher auf Anhieb Duftmarken setzen können. Da ist es mehr als bedauerlich, dass die Missernte der vergangenen Wochen den positiven Gesamteindruck der TSG-Saubermänner etwas getrübt hat.

Die Hoffnung ist, dass die Therapie der zweiwöchigen Handball-Weihnachtsabstinenz den Spielern körperlich wie geistig den dringend benötigten Abstand schenkt, so Energie zu tanken, um 2010 neu anzugreifen.

Es wäre wünschenswert, wenn von der Chefetage die sportliche Bilanz alsbald flankiert wird mit dem Festzurren von Perspektive. Sei es im Idealfall die Präsentation neuer Sponsoren, die Vorstellung durchschlagskräftiger Neuverpflichtungen, Vermeldung von Vertragsverlängerungen oder auch Umstrukturierungen im Umfeld. Die steigenden Anforderungen in Liga drei, und mehr erscheint zurzeit wirklich nicht realistisch, werden in nicht ferner Zeit die wenigen Schultern überdehnen, auf denen heuer das Gros der Arbeit ruht. Es dürfte dieser TSG nicht schaden, sich »breiter« aufzustellen, womöglich sogar das Ressort Öffentlichkeitsarbeit mal zu professionalisieren.

Diese Regionalliga hat trotz des unglückseligen Jahresendspurts Geschmack gemacht auf die zweite Saisonhälfte. Der gemeine Zuschauer wird genauso denken und wiederkommen.
Jörg Manthey


Namen & Tore
Tabellenstand: 4
Punkte: 20:10
Tore: 473:448
Heimbilanz: 12:4 Punkte
Auswärtsbilanz: 8:6 Punkte
Höchster Sieg: 42:31 gegen Bayer Dormagen II.
Höchste Niederlage: 26:36 bei SG Schalksmühle-Halver.

Torschützen: Henrik Ortmann (84), Marcel Müller (72/13), Florian Öttking (52/21), Johann-David Starck (51), Carsten Kappelt (51/1), Jens Limbach (50), Moritz Schneider (44/1), Tobias Fröbel (35/0), Daniel Meyer (20), Christian Grunow (12/5), Sebastian Ziemba (2), Jan-Henrik Werner (n.e.)

Paraden: Welge 241 (darunter acht Siebenmeter)/Dähne 49 (drei Siebenmeter)

Einsätze: in allen 15 Spielen dabei: Welge, Müller, Öttking, Kappelt, Limbach.
14 Spiele: Ortmann, Starck, Schneider.
13 Spiele: Dähne, Meyer, Grunow.
10 Spiele: Fröbel, Ziemba

Siebenmeterquote: Öttking (31/21, 68 Prozent), Müller (20/13, 65 Prozent), Grunow (11/5, 45 Prozent), Kappelt (2/1), Schneider (1/1), Ziemba (1/0)

Zeitstrafen: Ortmann (12), Schneider (11), Müller (9), Grunow (7), Fröbel (5), Öttking (5), Starck (5), Limbach (4), Kappelt (3), Ziemba (3), Meyer (2)

Neuste Galerie

09.02.24: 1. Herren - TV Emsdetten

Weitere 7707 Bilder sind in der Galerie.