1. Herren | Westfalen Blatt | 16.03.10
Von Jörg Manthey
und Arndt Wienböker
Bielefeld (WB). »Ärgerlich. Klar war das ein Foul. Wir haben uns hinterher die Bilder unseres Fotografen Jens Senftner genau angeguckt. Der hatte die besagte Aktion voll drauf. Und es war gut zu sehen, wie mir am Trikot gerissen wurde. Ich habe ordentlich einen mitgekriegt«, lässt TSG-Kreisläufer Tobias Fröbel den unsäglichen letzten Bielefelder Angriff in Rhein-hausen nochmal Revue passieren, der Gastgeber OSC im Regionalligaduell den Konter zum 33:32-Heimsieg bescherte. »Doof. Wir wollten alles und haben nix gekriegt.

Ich hoffe, dass wir daraus lernen«, meinte TSG-Trainer Helmut Bußmeyer nach einer unruhigen Nacht, in der »ich schlecht geschlafen habe«.
Es sei freilich nicht das verunglückte Müller-Anspiel gewesen, das die bedröppelte Delegation aus Altenhagen-Heepen mit leeren Händen in den Bus einsteigen ließ. Fröbel: »Wir hatten's vorher selber verschuldet, viele falsche Entscheidungen getroffen«. Rheinhausens offensive 4:2-Deckung, die den Wirkungskreis des TSG-Rückraums einschränkte, beantwortete der verunsicherte Gast - nicht.

Müller läuft nicht »rund«
Dass Mittelmann Marcel Müller nicht ganz »rund« lief – er droht jetzt mit einer Fußverletzung zwei Wochen auszufallen – blieb nicht ohne Nebenwirkungen. »Wir haben weiter so gespielt wie gegen eine 6:0-Abwehr. Da waren wir zu unflexibel«, monierte Helmut Bußmeyer.

In der finalen TSG-Auszeit 20 Sekunden vor Schluss sei besprochen worden, den Punkt zu behalten. Fröbel: »Wir waren so sicher. Dass wir den Ball verlieren könnten, daran hat wirlich niemand gedacht«. Zur Ergötzung Fabian Schneiders, der freistehend den OSC-Gegenstoß verwandelte.

Die Bewertung der 60 Minuten aus Rheinhausen fiel ohnehin unterschiedlich aus. Derweil TSG-Chef Heinrich Rödding kritisch ein »insgesamt schwaches Spiel mit vielen Fehlern auf beiden Seiten« registrierte, sprach Johann-David Starck von »Herzbluthandball«, von einem »tollen Kampfspiel, das Spaß gemacht hat«. Einen echten Knackpunkt konnte er nicht ausmachen. »So schade: Es hätte alles gepasst. Ich hoffe nicht, dass wir uns von den letzten Sekunden in Rheinhausen alles kaputtmachen lassen. Die restlichen sieben Spiele werden bestimmt kein Selbstläufer. Doch uns stehen weiter alle Möglichkeiten offen«.

Schürmann fix und fertig
Der Linkshänder räumte angesichts der erstaunlichen Synchronizitäten zum 26:25-Hinspielverlauf ein: »Wir wollten ohne Ende. Aber das nennt sich wohl ausgleichende Gerechtigkeit – leider«. Aber spätestens Höhe Hamm-Rhynern habe die Zuversicht zur TSG-Familie zurückgefunden. »Da ging der Blick wieder nach vorn«, schmunzelt Fröbel.

Achim Schürmann war nach dem dramatischen Ende fix und fertig. »Das sind die Momente, wegen denen man Handball guckt«, feixte der OSC-Trainer und sah eine »Antwort auf den Mist der vergangenen Wochen«. Rheinhausen, soviel ist klar, will aufsteigen. Schürmann: »Die Spieler haben beschlossen, diese einmalige Chance nutzen zu wollen«.

Gleiches trifft zumindest auf die TSG-Mannschaft zu. Am Freitag hatten sich Mannschaftsrat, Geschäfts- und Vereinsführung zum »Meinungsaustausch« verabredet. »Und mehr war es auch nicht«, stellt Manfred Quermann fest. In einer Beiratssitzung am Dienstag, 23. März, soll »ganz offen über die Ergebnisse geredet werden«.

Einerseits emotional, andererseits sachlich sei es im Gespräch zugegangen, produktiv zudem, berichtet Starck. »Es sind viele Informationen hin- und hergeflossen. Auch wenn zwei Welten aufeinandergetroffen sind, haben wir einen Konsens gefunden«.

Weitere Mannschaftsvertreter waren Marcel Müller, Jens Limbach, Henrik Ortmann und Christian Grunow. »Das Team identifiziert sich mit dem Aufstieg«, erklärt Starck, der die existierenden Sorgen der Entscheidungsträger ernst nimmt und einzuordnen weiß. »Wir sind alle bereit, Abstriche zu machen. Doch ein Minimum an Unterstützung sollte spürbar sein. Und da ist der Funke noch nicht übergesprungen«.

Derweil wird im Hintergrund weiter an der »neuen« TSG gebastelt. »Gut möglich, dass wir noch in dieser Woche mit einem Rückraumspieler zum Abschluss kommen«, sagt Manfred Quermann. Nach WB-Informationen handelt es sich dabei um einen jungen Mann vom Soester TV.

Alle im Abstiegskampf
Die »Erste« auf einem Abstiegsplatz in der Oberliga, die Reserve im Abstiegskampf der Landesliga, die »Dritte« (Bezirksliga) und die »Vierte« (Kreisliga A) zittern ebenfalls um den Klassenerhalt. Der TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck wird diese Saison so schnell nicht vergessen – egal, wie es am Ende ausgeht. Der Sportliche Leiter Frank Brennecke schüttelt nur noch mit dem Kopf: »Wir haben die Kollektiv-Seuche. Das zieht sich durch alle Mannschaften.«

Die größten Sorgen bereiten die mit so hohen Zielen in die Serie gestarteten Oberliga-Männer. Nach dem kaum für möglich gehaltenen 26:28 beim Tabellenletzten TuS Volmetal, der dabei seinen erst zweiten Saisonsieg und den ersten unter der Regie von Trainer Rolf Funke feiern konnte, formulierte Brennecke ein fast schon vernichtendes Urteil: »Die Mannschaft ist momentan nicht besser, als der Tabellenplatz, auf dem sie steht.« Das ist Abstiegsplatz zwölf, die »Horror-Vorstellung« Verbandsliga nimmt Konturen an.

Für die Verbandsliga planen
»Wir müssen anfangen, auch für die Verbandsliga zu planen. Das ist momentan wahrscheinlicher als die Oberliga«, redet Brennecke Klartext. Sollten die »Jürmker« tatsächlich absteigen, müsste »Manager« Torsten Winter die Personalplanungen ganz von vorn beginnen. Alle WHV-Verträge gelten nämlich nur für die Oberliga.

Sechs Spiele bleiben den Jöllenbeckern noch, um den »GAU« abzuwenden. Und dabei muss es der Kader richten, der zur Verfügung steht. »Wir werden jetzt keinen Spieler von irgendwo her zaubern. Mannschaft und Trainer sind gefordert, den Karren gemeinsam aus dem Dreck zu ziehen«, sagt Brennecke.

Ein »umfassender Job«
Auf der Suche nach Gründen enden die Verantwortlichen immer wieder in der Sackgasse. »Die Mannschaft ist nach der fehlenden Vorbereitung immer noch keine Mannschaft. Wenn es eng wird, versuchen es einige mit der Brechstange, und andere versuchen es gar nicht mehr«, kritisiert Brennecke. Auch bei Trainer Walter Schubert wachsen die Zweifel, aber an Aufgabe denkt der Ex-Nationalspieler nicht: »Das hier ist wiklich ein umfassender Job«, sagt Schubert, der immer mehr als Psychologe gefordert ist: »Wir haben schon alles probiert. In den entscheidenden Phasen verkrampfen die Spieler dann aber und können keine Schippe mehr draufpacken.« Als einer der wenigen sorgt Ralf Bruelheide seit seiner »Spritzenkur« wieder für notwendige Torgefahr aus dem Rückraum. Das allein reicht aber nicht, um die Klasse zu halten.

Frauen vor dem Aufstieg
Nach sieben Niederlagen aus den letzten acht Spielen zieht sich die Schlinge immer dichter zusammen. »Jetzt müssen die letzten Strohhalme ergriffen werden«, sagt Schubert mit Blick aufs kommende Heimspiel gegen TSV Hahlen und eine Woche später beim Vorletzten Eintracht Oberlübbe.

Nur gut, dass es in Jöllenbeck auch noch die Frauen gibt. Das Landesligateam von Trainerin Tanja Höner steht ganz dicht vor dem Aufstieg in die Verbandsliga. Der ist rein rechnerisch bereits diesen Sonntag möglich. Sollten die »Jürmkerinnen« beim Tabellendritten TuRa Elsen gewinnen und TuRa 06 den Tabellenzweiten LIT Handball Nordhemmern-Mdw. bezwingen, wäre die Meisterschaft perfekt.

Luca Werner verlängert
Der auch von der TSG Altenhagen-Heepen umworbende Bielefelder Luca Werner, der gestern 19 Jahre alt wurde, bleibt Lemgo treu und hat seinen Vertrag um zwei weitere Jahre verlängert. Er will beim TBV demnächst ein freiwilliges soziales Jahr ableisten und kann dort zudem bei den Profis mittrainieren. Sein jüngerer Bruder Yonte Werner (Jg. 1995) wird sich demnächst ebenfalls in der Alten Hansestadt versuchen. Er kehrt der JSG Bielefeld-Süd den Rücken und heuert bei der B-Jugend von HL Lemgo an.

Zudem kehrt Linkshänder Nils Prüßner nach einem Jahr beim TuS Spenge zurück nach Lemgo. Jedoch hat er nur einen Vertrag für die 3. Liga unterzeichnet. Mit Wai Wong (22), Mittelmann vom Regionalliga-Letzten TSV Bayer Dormagen II, hat HL Lemgo II sich einen holländischen Nationalspieler geangelt. Eine weitere Rückholaktion im Doppelpack ist perfekt: Von GWD Minden zieht es Jugend-Nationalspieler Yannik Rauchschwalbe samt Vater Detlef Rauchschwalbe wieder nach Lemgo. Letzterer wird Michael Thierauf als A-Jugendtrainer beerben.

97-Quartett zur Sichtung
Vier Jöllenbecker Nachwuchshandballer sind für einen Sichtungslehrgang der Westfalenauswahl nominiert worden. Aus dem männlichen Jahrgang 1996 reisen Benjamin Kleine und Moritz Kleist am 16./17. April nach Warendorf. Zudem steht Torhüter Nils Grafen auf der Reserveliste. Für die Maßnahme des weiblichen Jahrgangs 1997 wurde Lena Pult nominiert.

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