1. Herren | Westfalen-Blatt (Jörg Manthey) | 28.01.16
Linksaußen Leon Prüßner mausert sich bei der TSG zunehmend zum Leistungsträger. Der Bursche hat Fingerspitzengefühl und Auge. Unverschämt freche Dreher, Heber, Leger oder Aufsetzer gehören zu Leon Prüßners Standardwurfrepertoire. Ball und Harz sind Freunde des abgezockten Linksaußen, der beim Handball-Oberligisten TSG A-H Bielefeld mittlerweile zu den auffälligsten Akteuren gehört und den Heeper Dom schon oft zum Raunen gebracht hat.

Als verspielter Lehrling war der lustige Flügelflitzer 2013 aus Lemgos A-Jugend-Bundesligateam in die Metropole gewechselt. Inzwischen bestreitet Leon Prüßner seine dritte Saison in Heepen und hat in dieser Zeit eine Evolution durchgemacht. Nicht nur auf dem Feld. »Genie und Wahnsinn lagen bei ihm früher dicht zusammen. Heute macht es einfach Freude, ihm zuzugucken. Dass er im Leben angekommen ist, kommt Leon zugute«, fasst Teammanager Matthias Geukes den Reifeprozess des Burschen in Worte. »Seine Gesamtentwicklung ist toll.« Der 21-Jährige, in der Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement, hat schon seit längerem mit Freundin Lena eine Wohnung in Leopoldshöhe bezogen. Sowas erdet. »Was früher Mutter und Vater erledigt haben, muss jetzt alles selbst gemacht werden«, grinst Leon Prüßner. »Schon stressig. Aber auch schön.«

Dass er aus der Handball-Hauptstadt Lippes fortgegangen ist und im fremden TSG-Umfeld eine neue Herausforderung angenommen hat; Leon Prüßner hat’s nicht bereut, auch wenn er anfangs hinter Daniel Meyer eine Menge Sitzfleisch aufbaute. »Manchmal muss man Leon einfangen. Man muss ihn zu nehmen wissen«, meint Michael Boy. Etliche Einzelgespräche hätten Früchte getragen. »Das zahlt er jetzt alles mit starken Leistungen zurück.« Prüßners dankbares Echo: »Man merkt, dass Michael selber Spieler war. Er kann gut in die Spieler reingucken.« Um die Kreativität seines Schützlings nicht zu beschneiden, beteuert der TSG-Coach: »Ich bin ihm nicht böse, wenn er was Wildes ausprobiert.« In den entscheidenden Momenten mutig die richtigen Entscheidungen zu treffen, auch das zeichnet einen guten Linksaußen aus. Abgezocktheit wird bei der TSG durchaus ins intensive Wochenprogramm eingeflochten. Leon Prüßner ist einer, der aus dem Bauch heraus vollstreckt. »Am Übungsabend müssen beim Wurftraining von außen von zehn Versuchen sechs drin sein. Sonst gibt’s eine Strafaufgabe«, verrät er. »Wer da nachdenkt, hat schon verloren. Wenn ich überlege, werfe ich den Torwart an.«

Dass ein Linksaußen »spezielle Wurfarten beherrschen muss, um den Torwart aus ungünstigem Schusswinkel zu überwinden«, stand bereits 1972 im Lehrbuch der beiden Experten Jaroslav Mráz und Gerhard Schädlich. Prüßner hat sich eine bunte Palette an Finessen angeeignet. »Mein großer Bruder hat mir viel beigebracht. Er ist ein guter Rechtsaußen. Ich habe mir einiges von ihm abgeguckt.« Leon findet es »cool«, mit Nils gemeinsam in einem Team zu spielen. »Das war vorher in Lemgo altersbedingt ja nicht möglich.«

Michael Boy schätzt Leon Prüßner als Mann für alle Fälle. Aufgrund seiner Schnelligkeit ist der 21-Jährige natürlich ein Spezialist für Tempogegenstöße und aktuell mit 64/10 Treffern hinter dem Rückraumduo Lukas Schulz (102/39) und Phil Holland (65) die Nummer drei der internen Torjägerliste. Leon Prüßner zieht aber auch schon mal aus der Rückraummitte die Fäden oder wird in der Verteidigung als »Schattenmann« dafür eingesetzt, die gegnerischen Schützen zu nerven.

Das kommende Derby am Freitagabend birgt ein besonderes Schmankerl: Spenges Torhüter Kevin Becker gehört zu Leon Prüßners besten Freunden und weiß entsprechend um dessen Stärken und Schwächen. »Das gilt genauso andersrum«, schmunzelt der experimentierfreudige TSG-er und hat sich fest vorgenommen: Spenges Keeper sollen nie wissen, was von ihm als nächstes kommt. »Leon ist ein Instinkthandballer. Einer der Spieler mit dem größten Talent in der Region«, adelt Matthias Geukes Prüßners Fertigkeiten am Ball und ist sicher, dass der quirlige Linksaußen, mit einem Vertrag bis Sommer 2017 ausgestattet, weiter an Wahnsinnstoren feilen wird. Die Dom-Kulisse wird’s mit einem Raunen heimzahlen.

Leon Prüßner räumt ein, dass die Enttäuschung nach dem 27:28 gegen Gladbeck »größer war als nach anderen Niederlagen.« Der Rückstand nach oben soll am Freitag bei fünf Zählern bleiben. »Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Diese Liga ist verrückt und unberechenbar. Wir dürfen aber keine Punkte mehr liegenlassen.«

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